Freitag, August 18, 2006

Dionne Warwick: Are You There (With Another Girl) 1965


Wir kennen sie alle: die Handtaschen der Frauen. Diese oft hodigen Beutel, die mit Hilfe von dünnen Riemchen oder breiten Schlaufen lässig an der Schulter hängen. Gerne recht klein, wenn recht klein, dann aber bitte mit großer Schnalle, wenn Schnalle, dann aber Druckknopf und am besten mit flacher Seitentasche, die dann offen oder, besser, mit feinem Reisverschluss. Doch es hier geht jetzt nicht um das Äußere, auf die inneren Werte kommt es an (Zitat: "Britt-der Talk um Eins/Sat1").

Die inneren Werte einer Frauenhandtasche werfen Fragen auf. Zunächst die Frage an die Frauenhandtaschendesigner:
Warum machen manche von Euch sich noch die Mühe Fachunterteilungswände einzuarbeiten? An den ersten Tagen versucht sich die Taschenbesitzerin vielleicht noch mit Einteilungen und Ordungen zu beschäftigen. Die Vorsätze verfliegen doch so schnell wie ein Leberwurstbäuerchen. Spätestens wenn es zeitlich mal wieder eng wird - zu spät dran, wo sind meine neuen Stiefel, mit dem Pickel kann ich aber echt nicht gehen, wo treffen wir uns eigentlich, WAS, die kommt auch? dann gehe ich nicht - wandern Lippenstifte, Schminkspiegel, Adressbücher und Mundsprays ungeordnet in den Schlund der Tasche. Im Laufe der Wochen und Monate verbindet sich das marmorierte Innenfutter dann mit verschiedenen Substanzen unterschiedlicher Herkunft und Zusammensetzung. Im Normalfall wird, wenn dies geschehen ist, sofort eine neue Handtasche gekauft.
Jetzt die Fragen an die Frauen: Warum macht ihr das, wie ist euer Suchsystem und was ist so geil an Handtaschen?

Wie ich darauf komme? Naja, der Burt Bacharach Song "Are You There (With Another Girl)", hier gesungen von der Tante Dionne Warwick, ist so eine Handtasche. In den ersten vierzig Sekunden fühlt man sich wohl. Hübsch geordnet und aufgeräumt wird Melodie und Rhythmus eingeführt, die emotionale Richtung scheint nachvollziehbar. Frau Warwick fragt, wahrscheinlich in Gedanken, einen Lover, der nicht mehr der Ihrige ist, ob er eventuell mit einem andern Mädel zusammen schmust. "Klar macht der das!", möchte man rufen "Schau Dich doch mal an, Frau Warwick!" Aber das tut jetzt nichts zur Sache.
Alles scheint logisch doch dann verhält sich der Song sehr eigen. Der Beat geht einkaufen, das Klavier bleibt allein und verrichtet die anstehende Arbeit. Streicher und Bläser schummeln sich langsam nach vorne, Strophen werden komisch kürzer (das kann ich jetzt nicht besser erklären), und als bei einer Minute und dreißig Sekunden ein völlig unverständlicher Frauenchor irgendetwas sehr Hohes singt, ja, da weiß man dann plötzlich nicht mehr so richtig was das alles soll.
Kaum hat man sich von dem Kummerchor erhohlt, muß man schon bemerken, dass sich die Tonart gemein verändert hat und die Bläser/Streicher/Whatever Chef im Ring sind. Olé olé, ich bin so schlau, ich mach´nen tricky Songaufbau. Kurz bevor man genug von dieser offensichtlichen Songwriterangeberei hat, besinnt sich die gesammte Truppe, Ruhe kehrt zurück und Dionne darf wieder singen. Glück gehabt.

Die Brücke zum Anfang dieser Zeilen versuche ich mit einer kleinen Aufgabe herzustellen. Wer sich innerhalb von zwei Stunden den gesamten Aufbau und Ablauf von diesem knapp Dreiminutenpopsong merken und dann auch vortragen kann, der findet sich bestimmt auch in jeder Frauenhandtasche zurecht.