Jack Johnson: Mudfootball (aus `Bushfire Fairytales´2000)
Wann ist man cool? Das ist jetzt, auf den ersten Blick, erstmal eine ziemlich bescheuerte Frage, die jeder Coole mit abschätzigen Kopfschütteln goutieren wird. Der zweiten Blick lohnt jedoch. Zu viele mögliche Definitionen von Cool stehen im Notizblock des Lebens, als dass Ignoranz der richtige Umgang damit wäre.
Cool setzt spät ein. Ein Kind ist niemals cool, wird höchstens von seinen Eltern dorthin geredet. "..und weißt Du was dann der Leo dann gesagt hat? Mach´ich nicht, hat er gesagt. MACH`ICH NICHT! Cool, oder!?" Nein liebe Eltern nicht cool, sondern einfach nicht richtig erzogen.
Coolness will erlernt werden. Mit dem Einsetzten der Pubertät erscheint dem Jugendlichen ein neuer Kumpel: Die Orientierungslosigkeit. Wer bin ich, seit wann, warum hier und sind das überhaupt meine richtigen Eltern? Ich stecke in einem fremden Körper, ich will raus, ich bin cooler als ihr!
Zwei mögliche Varianten vom Coolwerden gibt es.
Variante 1:
Alle Filme mit den Schauspielern sehen, die von einem Großteil der Normalbevölkerung als cool eingestuft wird, also DeNiro, Michael Caine, David Niven, Sean Connery und Sophia Loren. Nach dem Genuss der Filme: Gesten und Bewegungen studieren. Grundsätzlich langsamer bewegen. Am Mundwinkelzucken und dem skeptischen Blick vor einem Spiegel arbeiten. Dies auch in der U-Bahn mit unvorbetreitetem Publikum üben. Sprüche auswendig lernen und diese an kleineren Geschwistern oder den verstörten Erziehungberechtigten ausprobieren.
Schwierige Bücher in der Stadtbibliothek ausleihen: James Joyce und/oder Thomas Bernard sind ein prima Anfang. Diese Bücher in durchsichtige Plastiktaschen packen, die Taschen dann gekonnt vor sich auf den Tisch im In-Café legen. Bitte nicht vergessen, die Bücher vor Ablauf der Ausleihfrist zur Bibliothek zurückzubringen, verlängern lohnt sich nicht, du wirst diese Bücher nie verstehen.
Wichtig, wie immer, ist natürlich auch die richtige Musikauswahl. Chartsongs gehen selbstverständlich überhaupt nicht. Chartsongliebhaberei kann man sich vielleicht später leisten und diese dann in der Rubrik "Peinliche Lieblingslieder" ablegen, der Beginn der coolen Musikgeschmacksstraße sollte jedoch mit B-Seiten (Ich weiß, dass es die eigentlich nicht mehr gibt. Also die Lieder, die nach der Singelauskopplung auf der Single-CD drauf sind) und Unbekanntem aus unerforschten Tonuniversen gepflastert sein.
Rockkonzerte sind prinzipiell nur von "hinten in der Halle" zu genießen. Moshen ist erst recht indiskutabel, wir sind ja schließlich nicht auf einem Ärzte-Konzert.
Hat man die Anfangshürden zum Coolsein übersprungen, wähnt man sich auf der sicheren Seite. Diese existiert aber nicht. Niemals!
Nehmen wir mal Jack Johnson, und nehmen wir mal an, wir hätten ihn schon lange vor seinen ersten Charterfolgen entdeckt. Zu diesem Zeitpunkt, also etwa im Jahre 2000, war er nur für uns da. Wenn ein Spätsommerabendregen auf die Flachdächer unserer Neubausiedlung prasselte, dann legten wir gerne seine CD auf/rein. Wir lasen seine Geschichte, brachten Storyzweige seiner Vita (Profisurfer, Filmmacher, Poet) durcheinander und spielten Freunden unsere Entdeckung vor. Diese mochten den Herrn Johnson meist auch, auch sie schwelgten in der Leichtigkeit seiner Lieder und auch sie spielten die Cd ihren Freunden vor. Und so weiter. Was passierte ist bekannt: Jack Johnson ist bekannt wie ein bunter Hund und selbst bei Familienfesten mit Urgroßmutterbeteiligung müssen wir seine Lieder hören. Ergo: Jack Johnson und Jack Johnson Hörer sind uncool.
Eine neue Identifikationsfigur der Coolen muß her: "Ach, ich höre jetzt mehr so Cat Power und manchmal noch die letzte Feist", bis zur nächsten Besetzung dieser Gebiete durch das Volk.
Jack Johnson ist natürlich etwas langweilig. War er schon immer. Seine musikalische Spannbreite gleicht der einer Trekkingsandalenlänge. Es sind immer die gleichen freundlichen Lieder, gespielt mit den immer gleichen freundlichen Instrumenten. Langweilig ist jedoch niemals gleichzusetzen mit blöd, und deshalb soll der Herr Johnson ruhig so weitermachen. Innovative Extremisten gibt es genug.
Variante 2:
Häufiger mal die Schnautze halten.
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