Montag, Oktober 30, 2006

Stimmungsliedgedicht

Gute Songs zur richt´gen Zeit:
Herzensangelegenheit!
Kaum hat man ein Lied entdeckt,
denkt, dass ihn ihm Gutes steckt.
Muss man sich schon eingestehen
Es ist blöd.

Suchen nervt, und zwar in Gänze
Man stößt schneller, als man denkt
an ´ne Grenze
und man lenkt
flott in eine andere Richtung
sucht das Lied auf frischer Lichtung
Um dann dennoch zu bemerken
Es ist öd.


Will man zu dem Song was trinken?
Will man eher Frauen winken?
Füttert er die Depression?
Ist "romantisch sein" sein Ton?

Hat er das, was man jetzt gerade
brauchen könnte, oder schade,
wird er nach den ersten Takten
fade für die Lage.

Na, wo bist Du, Stimmungslied?
Zeig´mir Deinen Unterschied
Passender als all das andere
Wo, verflixt, ist das Besondere?
Los komm´raus
Du bist umzingelt

Untermal mir jetzt mein Leben
Schnell mein Freund, sonst werd ich barsch
und lässt Du Dich jetzt nicht blicken
nenn ich dich nur:
Blöder Arsch



Ben Folds Five: Satan is my Master (aus `Naked Baby Photos´1998)


Im Alter wird das mit den Freunden wird ja auch immer schwerer. Also ich meine jetzt nicht mit den Bekannten, die man oft zu Tausenden hat, die einem den Speicherplatz auf Rechner und Handy mit ihren Nummers und Adressen rauben, nein, ich meine Freunde im Sinne von Freunde.

Früher, in den grauen Nebeln der Schulzeit, lauerten Freunde an fast jeder Ecke. Hatte man mit einem Klassenkameraden zweimal für die Bio-Klausur gebüffelt, war man so gut wie blutsverwandt. Wischte man nach einer Party das Erbrochene eines Anderen weg, adoptierte man ihn quasi damit. Die Zugänge zu den Herzen der Anderen waren mannigfaltig. Und hatte man erstmal einen solchen Zugang erhascht, mußte man sich schon sehr dumm anstellen, um auf Dauer aus diesem Herzen wieder heraus zu fliegen.


Doch die Schulzeit geht vorbei und plötztlich steht man in dem, was ältere Menschen das "wahre" Leben nennen, also das Leben, welches primär vom körperlichen Verfall und dem Finanzamt geprägt ist. In diesem wahren Leben, lernt man zwar immer noch neue Menschen kennen, nur gelangen diese nicht automatisch in die Schnittmenge einer Freundschaft. Ja, man wird seltsam und geschmäcklerisch.
Den Einen findet man zu laut, die Andere bekommt den Mund nicht auf, ein Dritter pflegt den Inneneinrichtungsstil unserer Eltern, und die Nummer vier verläßt unser Toleranzspektrum mit dem Satz, dass sie mit Musik nichts anfangen könne.

Findet man dann doch mal einen Menschen nett und möchte ihn näher kennen lernen, ist das plötzlich auch nicht mehr so leicht: Wann haben beide Parteien Zeit? Immer weniger Menschen haben viel zu tun, aber immer mehr Menschen haben weniger Zeit. "Nee Du, da ist leider ganz schlecht!" oder "Lass uns nächste Woche nochmal telefonieren, da weiß ich dann, ob ich übernächsten Samstag kann." sind Sätze, die jeder von uns jederzeit abfeuern kann.
Und über was unterhält man sich, wenn man sich dann endlich trifft? Wie persönlich kann man werden? Was sollte man thematisch besser ausgelassen? Was bringt es dem Gegenüber, und was bringt es mir selbst?
Es ist ein ständiges Hinterfragen und Abwägen, ein Empfangen und Taktieren. Kurzum: Neue Freunde zu finden ist Sport.

Ähnlich verhält es sich bei musikalischen Freunden, also Künstlern & Kapellen, die man länger als eine Veröffentlichung mag. Einer meiner letzten wahren musikalischen Neufreunde ist Ben Folds. "Neufreund?!", höre ich die Auskenner schreien, "den gibt´s doch schon sooooo lange!". Klar, liebe Auskenner, ich schrieb ja auch nicht, dass Herr Folds mein superfrischer Toptip an Euch wäre, sondern nur, dass er einer der letzten war, die ich in mein kleines Fanherz aufnahm.
Egal ob Ben Folds Five, The Bens, mit William Shatner oder solo, für den Soundtrack von "Over the Hedge" oder einfach nur im rauschenden Hintergrund: Mister Ben Folds ist immer da. Ist die Gemütslage euphorisch oder ich am Boden zermalmt, will ich gerade raus und durchdrehen oder am imaginären Kamin sitzen; für mich hat Herr Folds immer den richtigen Song.

Dass gerade "Satan is my Master" heute ausgewählt wurde ist natürlich ein bißchen dumm. Drei alberne junge Männer machen einen kurzen Knick vor ihrer Iron Maiden- und Ozzyjugend, mehr ist es nicht. Ein gekonntes Pianointro, ein paar Textzeilen, die einem erklären, dass halt Satan der Meister des Sängers ist und dies schon immer wahr, dann hektisches Doubletimegeholze und zurück in den melodischen Pianoteil. Eine Minute, dreißig Sekunden, und das auch noch live. Vielleicht nicht das beste Entré in die Ben Folds Welt, was!?


Aber vielleicht hat jemand ja doch Lust bekommen, eine neue Freundschaft zu schließen. Ihr hättet dann Herrn Ben Folds als Kumpel und mich. Und neue Freunde in meinem Alter: das ist selten.

Dienstag, Oktober 24, 2006

Bob Dylan: Mr. Tambourine Man (aus `Bringing All Back Home´1965)



Na, das ist mir ja ein feiner Blogschreiber. Zunächst Regelmäßigkeit antäuschen und dann fast zwei Monate nichts mehr von sich hören lassen. Mein lieber Freund, komm Du mir mal nach Hause.
Natürlich ist das liederlich aber ich hätte da eine Entschuldigung anzubieten. Und diese geht so: Der letzte Eintrag drehte sich ja, vor allen Dingen, um die anstehende Segelreise. Angedacht waren zwei Wochen Griechenland mit den folgenden Features: Sonne, Wellen, Ouzo. Bräunung! Nichts also, was man nicht hätte hinbekommen können. Es wurde hinbekommen.

Selbst ich, der jetzt nicht als Erfinder des sozialen Verhaltens in die Geschichte eingehen wird, muss sagen, dass es möglich ist, mit acht Menschen auf einem 16Meter Boot eine gute Zeit zu haben. Man rollt sich Morgens aus der Koje, veranlasst die Anderen einen Kaffee zu machen, schwingt sich zum Ruder, bald aus dem Hafen und befindet sich , einsfixdrei, auf dem Meer.
In diesem Fall auf dem Mittelmeer, welches ja eher ein freundlicher Geselle ist. Nicht mit Angeberwellen oder Turboböhen protzt er, nein, er imponiert schlicht mit kultivierter Beschaulichkeit. Schipper, schipper, plätscher, plätscher, vier bis fünf Stunden wackelt man durch die Wellen und schon ist die nächste Insel in Sicht.

Nach dem Anlegen bringt man seine Leber langsam mit einem Sundowner (Bier, Campari etc...) auf Kurs und geht die möglichen Suflaki und Zazikikombinationen des kommenden Abendessens durch.
Das griechische Essen selbst ist natürlich eine langweilige Frechheit und nach vier Tagen wundert man sich überhaupt nicht mehr, dass diese Hochkultur recht flott so sang und klanglos vor die Hunde gegangen ist. Aber was soll´s!? Man stopft sich das geschnetzelte Schwein allabendlich in den Magen und macht zum Nachtisch ein höfliches Bäuerchen. Wenn man dann während des Verdauungsschnapses stoisch die genuschelten Gespräche der Mitsegler über sich ergehen lässt, dann, ja dann weiß man, dass das jetzt aber wirklich Urlaub sein muss.

Das überraschend Beste an dieser Reise war jedoch die fast völlige Abstinenz von Permanentbeschallung. Das Schiff verfügte nicht, wie ich mir in meinen wilden Träumen zuvor ausmalte, über eine 5.1 Dolby Surround Anlage im Loungebereich, die Bordanlage hatte keinen iPod-Adapter, einfach aus dem Grund, weil es keine Bordanlage gab.
Allein ein altes CD-Autoradio war neben dem GPS-Kompass montiert. Da ich jedoch im Vorfeld dummerweise voll auf die digitale Welt gesetzt hatte, und das Mitnehmen von selbst zusammengestellten CDs als längst überholt einstufte, sah ich mich plötzlich mit den Mix-Cds eines Mitseglers konfrontiert. Geschmackvolle Popmusik mit dem Hang zur Elektronik. Eine Mischung, die beim ersten und auch zweiten Durchlauf durchaus funktionierte, dann jedoch bald jedem tierisch auf die Nüsse ging. Die AutoradioCdAnlage blieb also aus, Stille und MeeresRauschen stellte sich ein. Schipper, schipper, plätscher, plätscher.

Erst nach ca. vier Tagen fehlte mir die Musik. Also holte ich meinen vernachlässigten MP3 Freund aus der wohlgepolsterten Tasche, sagte zu ihm: "Du musst jetzt wieder ran" und fing an zu suchen. Ich suchte den perfekten „WIR FAHREN IN EINEN HAFEN“ Song.
Schnell merkte ich, dass die modernen Musiker anscheinend noch nie
gesegelt waren. Hektische Hochfrequenzen wechselten sich mit blödem Schreien ab....und mal ehrlich, dass ist nicht das, was mal bei Sonnenuntergang und Allroundentspannung hören will. Aber was könnte es sein. Haut mir ab mit euren „Café Del Mar“ Psychosen! Bleibt mir weg mit dem BistroMusikAllerlei von Air.
Erst nach unzähligen Versuchen entdeckte ich einen Song, der perfekte zu sein schien.
Ich erschreckte. Das kann doch nicht sein. Wie kommt dieser Song überhaupt auf meinen Player. Ja, es war Bob Dylans "Mr. Tambourine Man".

Nasal und alles andere als samtig kommt die Stimme aus den Kopfhören, die Gitarre scheint verstimmt und die Mundharmonikatöne möchte man auch reklamieren. Hätte ich mich je mit den hoch dekorierten Texten des Herrn Dylan auseinander gesetzt, wäre es mir jetzt bestimmt leicht möglich, einen crazy Bezug zu dieser Reise, dem Meer oder wenigstens dem fettigen Essen herzustellen. Leider habe ich jedoch keine Ahnung, was Bob da singt. Egal.
Ich glaube das Offene dieses Songs hatte es mir angetan. Kein Schlagzeug treibt mich, kein Bass erdet mich und kein Streichensemble verkitschte die Segelsituation. Diese ruppige Normalität machte es zum Hit der Stunde.

Zurück in Berlin, und ich wollte mich nochmals dem rauen Charme des Liedes aussetzten, wollte, dass es mir die Ozeanbilder erneut produziert. Natürlich funktionierte es nicht. Es ist die große „Sie spielen unser Lied“ Lüge.
Dylan steht wieder im Regal, die Urlaubsfotos liegen brav in der Urlaubsfotosschublade und mein Spiegelbild zählt vier neue Falten.
Zurück in der Realität.

So, das war jetzt mein Erklärungsversuch, warum ich so lange nichts geschrieben habe. Ich habe keine Schuld, Dylan war´s gewesen.