Dienstag, Oktober 24, 2006

Bob Dylan: Mr. Tambourine Man (aus `Bringing All Back Home´1965)



Na, das ist mir ja ein feiner Blogschreiber. Zunächst Regelmäßigkeit antäuschen und dann fast zwei Monate nichts mehr von sich hören lassen. Mein lieber Freund, komm Du mir mal nach Hause.
Natürlich ist das liederlich aber ich hätte da eine Entschuldigung anzubieten. Und diese geht so: Der letzte Eintrag drehte sich ja, vor allen Dingen, um die anstehende Segelreise. Angedacht waren zwei Wochen Griechenland mit den folgenden Features: Sonne, Wellen, Ouzo. Bräunung! Nichts also, was man nicht hätte hinbekommen können. Es wurde hinbekommen.

Selbst ich, der jetzt nicht als Erfinder des sozialen Verhaltens in die Geschichte eingehen wird, muss sagen, dass es möglich ist, mit acht Menschen auf einem 16Meter Boot eine gute Zeit zu haben. Man rollt sich Morgens aus der Koje, veranlasst die Anderen einen Kaffee zu machen, schwingt sich zum Ruder, bald aus dem Hafen und befindet sich , einsfixdrei, auf dem Meer.
In diesem Fall auf dem Mittelmeer, welches ja eher ein freundlicher Geselle ist. Nicht mit Angeberwellen oder Turboböhen protzt er, nein, er imponiert schlicht mit kultivierter Beschaulichkeit. Schipper, schipper, plätscher, plätscher, vier bis fünf Stunden wackelt man durch die Wellen und schon ist die nächste Insel in Sicht.

Nach dem Anlegen bringt man seine Leber langsam mit einem Sundowner (Bier, Campari etc...) auf Kurs und geht die möglichen Suflaki und Zazikikombinationen des kommenden Abendessens durch.
Das griechische Essen selbst ist natürlich eine langweilige Frechheit und nach vier Tagen wundert man sich überhaupt nicht mehr, dass diese Hochkultur recht flott so sang und klanglos vor die Hunde gegangen ist. Aber was soll´s!? Man stopft sich das geschnetzelte Schwein allabendlich in den Magen und macht zum Nachtisch ein höfliches Bäuerchen. Wenn man dann während des Verdauungsschnapses stoisch die genuschelten Gespräche der Mitsegler über sich ergehen lässt, dann, ja dann weiß man, dass das jetzt aber wirklich Urlaub sein muss.

Das überraschend Beste an dieser Reise war jedoch die fast völlige Abstinenz von Permanentbeschallung. Das Schiff verfügte nicht, wie ich mir in meinen wilden Träumen zuvor ausmalte, über eine 5.1 Dolby Surround Anlage im Loungebereich, die Bordanlage hatte keinen iPod-Adapter, einfach aus dem Grund, weil es keine Bordanlage gab.
Allein ein altes CD-Autoradio war neben dem GPS-Kompass montiert. Da ich jedoch im Vorfeld dummerweise voll auf die digitale Welt gesetzt hatte, und das Mitnehmen von selbst zusammengestellten CDs als längst überholt einstufte, sah ich mich plötzlich mit den Mix-Cds eines Mitseglers konfrontiert. Geschmackvolle Popmusik mit dem Hang zur Elektronik. Eine Mischung, die beim ersten und auch zweiten Durchlauf durchaus funktionierte, dann jedoch bald jedem tierisch auf die Nüsse ging. Die AutoradioCdAnlage blieb also aus, Stille und MeeresRauschen stellte sich ein. Schipper, schipper, plätscher, plätscher.

Erst nach ca. vier Tagen fehlte mir die Musik. Also holte ich meinen vernachlässigten MP3 Freund aus der wohlgepolsterten Tasche, sagte zu ihm: "Du musst jetzt wieder ran" und fing an zu suchen. Ich suchte den perfekten „WIR FAHREN IN EINEN HAFEN“ Song.
Schnell merkte ich, dass die modernen Musiker anscheinend noch nie
gesegelt waren. Hektische Hochfrequenzen wechselten sich mit blödem Schreien ab....und mal ehrlich, dass ist nicht das, was mal bei Sonnenuntergang und Allroundentspannung hören will. Aber was könnte es sein. Haut mir ab mit euren „Café Del Mar“ Psychosen! Bleibt mir weg mit dem BistroMusikAllerlei von Air.
Erst nach unzähligen Versuchen entdeckte ich einen Song, der perfekte zu sein schien.
Ich erschreckte. Das kann doch nicht sein. Wie kommt dieser Song überhaupt auf meinen Player. Ja, es war Bob Dylans "Mr. Tambourine Man".

Nasal und alles andere als samtig kommt die Stimme aus den Kopfhören, die Gitarre scheint verstimmt und die Mundharmonikatöne möchte man auch reklamieren. Hätte ich mich je mit den hoch dekorierten Texten des Herrn Dylan auseinander gesetzt, wäre es mir jetzt bestimmt leicht möglich, einen crazy Bezug zu dieser Reise, dem Meer oder wenigstens dem fettigen Essen herzustellen. Leider habe ich jedoch keine Ahnung, was Bob da singt. Egal.
Ich glaube das Offene dieses Songs hatte es mir angetan. Kein Schlagzeug treibt mich, kein Bass erdet mich und kein Streichensemble verkitschte die Segelsituation. Diese ruppige Normalität machte es zum Hit der Stunde.

Zurück in Berlin, und ich wollte mich nochmals dem rauen Charme des Liedes aussetzten, wollte, dass es mir die Ozeanbilder erneut produziert. Natürlich funktionierte es nicht. Es ist die große „Sie spielen unser Lied“ Lüge.
Dylan steht wieder im Regal, die Urlaubsfotos liegen brav in der Urlaubsfotosschublade und mein Spiegelbild zählt vier neue Falten.
Zurück in der Realität.

So, das war jetzt mein Erklärungsversuch, warum ich so lange nichts geschrieben habe. Ich habe keine Schuld, Dylan war´s gewesen.

3 Comments:

Anonymous Anonym said...

Willkommen zurück.

8:24 PM  
Anonymous Anonym said...

oh welch schöner beitrag. muss gleich noch mal lesen. und dann noch mal
auch nach langer abwesenheit deine stimme hören. wenn auch in einem anderen format. bei einem anderen sender. aber egal max bleibt max!

4:27 PM  
Anonymous Anonym said...

max bei einem anderen sender? wo denn, wo denn?

11:19 AM  

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